Zum Text von Urs Bugmann, geschrieben 1996:
Am Inhalt hat sich nichts verändert, nur die Arbeitssituation,
die alte Seidenfabrik in Pfäffikon ist einer Alterssiedlung
gewichen, und meine Arbeit mit den Pigmenten hat sich verfeinert,
auch sind mehrere Reisen dazugekommen, die meinen Horizont erweitert
haben. Mittlerweile male ich eher auf Leinwand und in grossen Formaten.
Nach der Natur
Zu den Arbeiten von Jeannine Lippuner von Urs Bugmann, 1996
Der Blick aus dem Atelierfenster fällt auf die kleinen, rechteckigen
Felder eines Versuchsgartens. Wachstumsstufen, Pflanzenarten zeichnen
in den Vierungen ein Muster, lassen sich nach Farbe und Struktur
unterscheiden. Eine inspirierende Ansicht, die der freien Regelmässigkeit
der Natur eine vorbedachte Ordnung zuweist, organisches Wachstum
mit seinen eigenen Gesetzen in dialektischen Austausch bringt mit
vernünftiger Ordnung. Natur mit abstrakter Systematik konfrontiert,
dem Wachsen das Wollen gegenüberstellt.
Jeannine Lippuner malt auf Lindenholztafeln ihrer Stelen die selben
kleinen Rechtecke, die der Blick von oben auf kultivierte Landschaft
als Musterung ausmacht. Hell grenzt an Dunkel, Grün trifft
auf Gelb, Rot tönt Ocker ab. Rhythmen aus abgrenzenden Kontrasten,
aus angleichenden Schattierungen entstehen und fügen sich zum
ruhigen, lichtintensiven Farbklang. Vom Anblick kultivierter, systematisch
geordeneter Natur inspiriert, geben diese Stelen ein Bild natürlicher
Abstraktion.
Farben, die in einem organischen Zusammenhang stehen, finden
sich in einer neuen, willentlich gefügten Ordnung. Kunst
ist in diesen Arbeiten bearbeitete Natur. Das trifft selbst für
die Materialien zu, mit denen Jeannine Lippuner arbeitet. Sie
grundiert die Holztafeln zunächst mit Kreide und Hasenleim,
bemalt sie dann mit Pigmentfarben, die sie aus zerschlagenen Steinen
gewinnt. Dies ergibt die warmen Farbklänge, und wie das dichte
Gestein, zum Farbstoff zerrieben, durchlässig wird und aufnahmefähig
für das Licht, das in der Farbe atmet, wird der Stoff der
Natur, die Inspiration, in diesen Arbeiten durchlässig für
einen Gedanken, eine Stimmung.Es ist das Immaterielle, das sich
in diesen aus natürlicher Materie geschaffenen Werken dem
Betrachter mitteilt. Nach der Natur geschaffen, sind sie ein hohes
Lied an die Natur, das zugleich die Kunst als des Menschen Annäherung
an das Natürliche preist.
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